Ich habe viele, viele Jahre geraucht.
Es gab kurzzeitige Unterbrechungen wie z.B. in der Schwangerschaft und mehrere Versuche aufzuhören.
Nach dem letzten mißglückten Versuch habe ich mich damit abgefunden für immer eine Raucherin zu bleiben und durch Gifte –„4800 Chemikalien, 250 Gifte stecken in einer Zigarette“ vermutlich einige Jahre früher aus dem Leben zu scheiden.
Rauchen bedeutete für mich „Belohnung“ in Form einer Pause. Tagsüber im Job rauchte ich nicht, freute ich mich aber auf die erste Zigarette zu Haus. Wieder ein geschaffter Arbeitstag. Hatte ich einen Berg Bügelwäsche vor mir, dachte ich: noch zwei Blusen bügeln und dann „gönnst“ du dir eine Zigarettenpause. Arbeitete ich abends am PC oder an der Nähmaschine, musste ich zwischendurch „mal den Kopf freibekommen“, indem ich mich einnebelte.
Unser Haus ist rauchfrei und es herrscht absolutes Rauchverbot. So gern ich auch geraucht habe, riechen mochte ich es nie. Unser Haus riecht entweder nach Seifen, weil ich eine Seifensammlerin bin oder nach frisch Gebratenem/Gekochten, weil ich leidenschaftlich gern koche.
Also hieß es für jede Zigarette: ab auf die Terrasse. Bei jedem Wetter und egal wie ungemütlich es war. Und am besten nach dem Rauchen noch kurz die Hände waschen, damit man den eigenen Rauchgeruch nicht in die Nase bekommt.
Anstatt Hotelzimmer musste es bei Übernachtungen Ferienwohnungen mit Balkon sein. Das Rauchen ist in den meisten Hotels eh mittlerweile verboten und nachts –für eine letzte Zigarette- durch das Hotel bis vor die Tür zu schleichen, kam für mich nie in Frage.
Doch nun bin ich rauchfrei.
Vor einiger Zeit hat mich eine schwere Erkältung erwischt und ich hatte das Gefühl mich zu Tode husten zu müssen. Eine Zigarette hätte ich beim besten Willen nicht rauchen können. Während ich mir also die Lunge aus dem Leib hustete, stellte ich mir vor, wie kotzübel es mir gehen würde, müßte ich jetzt eine Zigarette rauchen. Das ist in etwa so als wenn man sich nach einem üppigen Essen vorstellt, man müsse noch ein Stück vom fetten Aal essen. Da wird einem allein bei der Vorstellung schon ganz schwummerig.
Da ich außer liegen und husten nichts machen konnte, stellte ich mir nach jeder Hustenattacke vor jetzt rauchen gehen zu müssen.
Nach zwei, drei Tagen entwickelte ich eine leichte Abneigung gegen das Rauchen. Diese Abneigung half mir, auch die nächsten Tage ohne Zigarette zu überstehen.
Situationen, in denen ich gern geraucht habe, vermied ich komplett. Ich liebe es beispielsweise spätabends im Wellness-outfit auf dem Sofa zu sitzen und mir vorm Schlafengehen noch einen Film oder eine Reportage anzusehen. Runterkommen vom Tag, außer Nägel feilen und Füsse eincremen nichts mehr tun zu müssen. Feierabend. Dazu ein Glas Wein und eine Handvoll Chips oder ein Stück Käse … kann das Leben schöner sein? Und zwischendurch auf der Terrasse eine Zigarette rauchen, die Sterne anstarren und ganz allein mit sich und seinen Gedanken sein. Herrlich.
Alkohol in Verbindung mit „aufhörenwollenzurauchen“? Das geht gar nicht.
Also ade, du schönes Leben. Früh zu Bett hiess es ab jetzt. Keinen Wein, keinen Käse, keine Chips, keine Gemütlichkeit, keine Lebensqualität.
Jeden Abend vermisste ich mein schönes Leben, jeden Morgen freute ich mich wieder einen Tag geschafft zu haben. Schon nach wenigen Tagen viel besser atmen zu können. Irgendwie fitter zu sein. Ich musste ständig nachlesen, was sich in vier Tagen, in sechs Tagen, in zwei Wochen, in einem Monat in drei Monaten in meinem Körper tat…ohne diese Gifte. Was regeneriert sich in welcher Zeit, welche Organe können sich erholen. Welche nicht? Wie lange benötigen sie durchschnittlich dazu?
Ein Kurzurlaub stand an. Bisher lagen die Zigaretten griffbereit im Schrank. Sollte ich die Zigaretten einfach zu Haus lassen? Ich habe jetzt doch schon „viele“ Tage ohne sie geschafft?
Es war eine gute Entscheidung sie nicht mitzunehmen, denn ich habe die Tage ohne sie wirklich überlebt. Bekam ich vor kurzem noch Panik, wenn nicht genügend Zigaretten im Haus waren, stellte ich nun fest, dass man ohne Zigaretten die Nacht überleben kann.
Das hat mir wieder Mut gemacht, ich war stolz auf mich. Und wirklich vermißt habe ich sie nur wenige Augenblicke am Tag und die habe ich aushalten können.
Bei bisherigen Aufhör-Versuchen hatte ich immer Zigaretten im Haus. Als Süchtiger hat man ja die Angst die möglichen Entzugserscheinungen nicht aushalten zu können und das Suchtmittel nicht griffbereit zu haben.
Dieses Mal wusste ich, dass ich die Dinger lieber aus dem Haus geben sollte. Wegwerfen mochte ich sie nicht, also habe ich die Heiligtümer einer Kollegin geschenkt, die zwar selbst nicht raucht, aber genügend Raucher im Bekanntenkreis hat. Das war eine weitere gute Entscheidung. Ich wäre in „schwachen“ Momenten schon längst rückfällig geworden, hätte ich sie im Haus gehabt.
Mehrere Wochen lebte ich nun schon rauchfrei. So sehr ich mich darüber freute, so sehr hatte mein Leben an Lebensqualität verloren. Auf der einen Seite fand ich es vollkommen albern, das meine Lebensqualität mit dem Nichtrauchen rapide gesunken war, auf der anderen Seite empfand ich es wirklich so. Ich war nicht mehr richtig glücklich.
Ich wollte meine gemütlichen Spät-Abende zurück. Ich wollte mir wieder einen Spielfilm anschauen, meine Nägel feilen, ein Glas Wein trinken, Käse essen, runterkommen, mich auf diese Stunde allein mit mir freuen.
Stück für Stück holte ich mir meine Lebensqualität wieder. Wurde nach einem Glas Wein der Gedanke an Nikotin übermächtig, bin ich einfach zu Bett gegangen. Oder ich habe mir vorgestellt eine Zigarette geraucht zu haben und mich dann gefragt: und jetzt? Ist dein Leben schöner, weil du jetzt fünf Minuten geraucht hast? Mit jedem Tag kam es mir alberner vor und ich dachte immer weniger an Zigaretten.
Mittlerweile bin ich mir sicher, dass ich das Rauchen über kurz oder lang vergessen werde. Vielleicht hin und wieder einen kurzen Gedanken daran verschwenden werde, bevor er sich …husch, husch… in einem blauen Nebel auflösen wird. 😉
August 2021: ich bin immer noch Nichtmehrraucher und das Leben ist trotzdem schön;-)